Freitag, 7. August 2015

Offener Brief an VW zur E-Mobilität

Erneuter offener Brief an VW, nachdem ich auf den ebenfalls hier veröffentlichten Brief von 2012 leider nie eine Antwort erhalten habe:



Sehr geehrter Herr Dr. Winterkorn, sehr geehrte Damen und Herren,

bereits im Jahr 2012 habe ich Ihnen einen offenen Brief geschrieben und Ihnen mitgeteilt, dass wir unsere beiden VW noch einmal durch den TÜV bugsiert haben, um Ihnen zwei Jahre mehr Zeit zu verschaffen, ein ordentliches Elektrofahrzeugangebot auf den Markt zu bringen. Damals hatte ich Ihnen auch mitgeteilt, dass Sie zwei lebenslange VW-Kunden verlieren werden, wenn dies nicht der Fall sein wird. Leider habe ich auf diesen Brief niemals eine Antwort erhalten.

Nun melde ich mich wieder um Vollzug, Teilvollzug zu melden. Wir haben für meine Frau einen Renault Zoe gekauft und sind sehr zufrieden mit dem Fahrzeug. Meinen T4, Bj. 99 habe ich noch einmal durch den TÜV gekriegt. Aber auch ich werde nächstes Jahr auf einen alternativen Antrieb umsteigen und wie es aussieht leider nicht bei VW. Ich finde es unendlich schade, dass „meine“ Automarke diesen Zukunftsmarkt verpennt und mit seinen Angeboten für zukunftsorientierte Antriebe weit hinter seinen technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten zurückbleibt.
Farewell VW – hier endet eine über dreißigjährige Beziehungs-, wenn nicht Liebesgeschichte!

Mit freundlichen Grüßen für eine emissionsarme, automobile Zukunft,

Rainer Hitzler

Mittwoch, 18. Juni 2014

Rezension „Eine vorläufige Theorie der Liebe“ von Scott Hutchins




Warum eigentlich eine "vorläufige" Theorie der Liebe?

 
Viele Menschen halten Zwiesprache mit dem verstorbenen Vater. Manche erhalten auch Antwort, hilfreich oder nicht. Nur ganz wenige aber haben die Möglichkeit wie Neill Bassett junior, den Vater in ganz konkreten Computerchats zu erleben.

Leben und lieben in San Franzisko

Neill ist als Mittdreißiger aus Arkansas mit vorzeitiger Midlife-Crisis in San Franzisko gestrandet. Er arbeitet im Valley (Silicon) und treibt, nach einer zusammengekrachten Ehe mit Erin, ziemlich ziellos und lustlos durch sein (Beziehungs-) Leben. Die Aufarbeitung seiner Beziehung zu den Eltern in Arkansas gelingt ihm erst mit Hilfe seines leicht durchgeknallten Chefs, der Ikone der künstlichen Intelligenz, Henry Livorno. Der versucht einen Computer zu konstruieren, der so viel „Bewusstsein“ entwickelt, dass er den berühmten Turing Test schafft. 

Der Turing Test, Lackmustest für künstliche Intelligenz

Exkurs: Alan Turing postulierte schon 1950(!), dass eine Maschine dann über künstliche Intelligenz (KI) verfüge, wenn sie es schaffe, in einem Chat über den Bildschirm (das Wort gab es damals noch nicht) ohne Sicht- und Hörkontakt 30 Prozent der Tester zu überzeugen, dass sie menschlich sei. Turing nahm an, dass dieses Problem bis zum Jahr 2000 gelöst sein sollte. Gerade hochaktuell soll als erstes das Computerprogramm „Eugene“ den Turing Test 2014 bestanden haben. Allerdings wird das von Kritikern noch bestritten. Ergebnis offen. In jedem Fall ist klar: Das Problem mit KI wird uns noch eine Weile begleiten, wenn schon ein so einfacher Test wie der Turing Test bisher nicht oder wahrscheinlich nicht bestanden worden ist.


Welche Rolle spielt KI in „Eine vorläufige Theorie der Liebe“?

Zurück zu Neill Bassett und seinem Vater Dr. Neill Bassett. Der hatte sein Leben in einer ausufernden Menge minutiöser Tagebücher dokumentiert und diesem mit 48 Jahren ein typisch amerikanisches, gewaltsames Ende gesetzt: Er erschoss sich in der Garage mit seinem Gewehr.
Auf den Tagebüchern von Bassett senior nun beruht das Bewusstsein von Livornos Computer und sein Sohn Neill junior soll durch seine intime Kenntnis des Vaters in dauernden Chats und Korrekturen dessen Leistung verbessern. So kommt der Marketingmann Neill an einen gut bezahlten Job in der Computerbranche, denn er ist Eigentümer und damit quasi Rechteinhaber der Tagebücher.

Parallel dazu breitet Hutchins das Liebes- und Beziehungsleben von Neill junior aus: Die gescheiterte Beziehung zu Erin wird in Rückblenden und Erinnerungen beackert, außerdem in dem einen oder anderen Treffen der beiden. Aktuell setzt sich Neill mit seinen Beziehungen zur viel jüngeren Rachel und der Kollegin/Konkurrentin Jenn auseinander. All das wird sehr geschickt und kurzweilig mit seinen Chats mit dem verstorbenen Vater und Recherchen in der eigenen Vergangenheit verwoben.

Kann ein Computerprogramm das Gespräch mit dem verstorbenen Vater ersetzen?
 
Mindestens genauso gut wie eine Seance mit Geistern oder der innere Dialog am Grab, meint Hutchins und hat damit sicherlich recht, denn bei jeder der Methoden wird man nur hören, was man zu hören in der Lage ist. Neill jedenfalls findet in seinen Gesprächen mit dem Vater im Computer ein Stück weit aus seiner Ziel- und Lustlosigkeit heraus. Wie das passiert, beschreibt Hutchins im Rahmen seiner „the San Francisco way of life“ – Story mit viel Humor, einer Prise Zynismus und einer erstaunlichen Dosis an Optimismus. „Eine vorläufige Theorie der Liebe" ist lesenswert, regt zum Nachdenken an und gibt dem Leser einen Schubs, das Leben in die eigenen Hände zu nehmen.

Trotzdem bleibt Hutchins Theorie der Liebe vorläufig, denn er gibt nicht vor, das Leben zu beschreiben, nur ein Leben: Das seines Protagonisten Neill Bassett, der, zumindest für den Moment, seine Theorie der Liebe gefunden hat.

Info:

"Eine vorläufige Theorie der Liebe"
Roman von Scott Hutchins
Erschienen am 10.03.2014
Übersetzt von: Eva Bonné
416 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-492-05517-8
€ 21,99
 

Samstag, 14. Juni 2014

SEO und meine Seele



SEO

Seek Engine Optimization – Suchmaschinenoptimierung. Leute, die das machen, das sind die, die dafür sorgen, dass Sie als Internetbenutzer auf einer bestimmten Homepage landen, ob Sie das wollen oder nicht. Oder haben Sie sich noch nie darüber gewundert, dass Sie bei Google Herrenschlipse eingegeben haben und bei Damenunterwäsche herausgekommen sind? Oder Sie suchen einen Spaten und die ersten zehn Suchergebnisse bei Google beglücken Sie mit Gartensaunen, Teichanlagen und – Damenunterwäsche! Nicht, dass Sie das dem Suchergebnis sofort ansehen würden. Nein, da steht durchaus Herrenschlips, Krawatte, Spaten oder Gartenspaten. Nur wenn Sie die Seite betreten, dann sind sie weg, eben mal kurz in den Tiefen der Seite verschwunden. 80 Prozent der Leute verlassen die Seite in diesem Moment sofort. Aber nicht mal die sind für den Seitenbetreiber verlorene Liebesmüh, denn Google zählt die Klicks auf eine Seite und jeder Klick hilft, die Seite bei der nächsten Suche noch ein bisschen besser zu platzieren. Dann kommen noch mehr Leute, die Herrenschlipse oder Gartenspaten suchen auf die Seite mit der Damenunterwäsche. Die Gartensaunen und Teichanlagen wollen wir an dieser Stelle jetzt einmal vernachlässigen.
Also 80 Prozent der User verlassen die Seite genervt sofort, helfen aber ungewollt dem Betreiber, bei der nächsten Suche besser, das heißt weiter oben in den Suchergebnissen gelistet zu werden. Ranking heißt das und nur die Suchergebnisse auf der ersten Seite zählen für den SEO-Profi! Zehn Prozent der User machen sich unverdrossen auf der Damenunterwäschenseite auf die Suche nach Herrenschlipsen oder Gartenspaten. Natürlich finden sie weder das eine noch das andere! Aber sie verweilen auf der Seite, was wiederum Google registriert und beim nächsten Ranking positiv berücksichtig. Neun von den zehn Prozent verlassen anschließend genervt die Seite, haben aber ungewollt dem Seitenbetreiber geholfen – siehe oben! Das verbliebene Prozent beginnt sich langsam für Damenunterwäsche zu interessieren oder klickt auf eine Werbung für – ja richtig – Gartenspaten oder Herrenschlipse, die zufällig am linken Rand der Seite auftaucht. Der Klick trägt dem Seitenbetreiber zwischen zehn und 50 Cent ein, je nach Attraktivität seiner Seite und des geklickten Angebots. Übrigens wird der linke Rand dreimal häufiger angeklickt als der rechte – der Gott des SEO weiß warum.
Verbleiben die letzten zehn Prozent User, die nach Schlipsen oder Spaten gesucht haben. Fünf davon sind Damen, die auf der Suche nach einem Geschenk für ihren Herzallerliebsten sind. Sie lassen sich relativ schnell davon überzeugen, dass es für ihren Partner mindestens genauso beglückend ist, ihn mit hübscher Wäsche zu überraschen, wie mit einem Schlips oder Spaten. Die anderen fünf sind Herren, die sich von den hübschen Models, die die verführerische Unterwäsche präsentieren, leicht überzeugen lassen, auf der richtigen Seite gelandet zu sein, obwohl von Spaten oder Krawatten weit und breit nichts zu sehen ist. Egal ob sie nun die Seite in allen Einzelheiten studieren, tatsächlich Wäsche für ihre Liebste erstehen oder auf die Werbung für ein Seitensprungportal am linken Rand der Seite klicken – in jedem Fall nützen sie dem Seitenbetreiber. Auf irgendeine Weise, direkt oder indirekt verdient er Geld an den klickenden Usern.
Ein wichtiger Bestandteil der SEO-Arbeit ist, neben verschiedenen technischen Details, das keywordoptimierte Texten. Bestimmte Begriffe – Keywords, Schlüsselbegriffe eben – müssen in bestimmten Prozentsätzen, am besten auch in Zwischenüberschriften und fett gedruckt in den Text eingearbeitet werden. Das freut den Google Roboter - Spider, Spinne heißt der – und er gibt dem Text in seinem Netz, dem World Wide Web, dafür ein gutes Ranking. Der vorliegende Text zum Beispiel kann als SEO optimiert für die Begriffe Spaten, Gartenspaten, Damenunterwäsche, Wäsche, Schlips, Herrenschlips, Krawatte und SEO gelten, denn diese Worte erscheinen in googleoptimierter Häufigkeit. Jemand, der eine reine Werbeseite erstellt, die ausschließlich  von den Klicks auf Werbeanzeigen und –banner lebt, könnte ihn prächtig für den Fang von Internetusern nutzen, die auf der Suche nach Gartenspaten, Herrenschlipsen, Damenunterwäsche oder SEO-Optimierung sind. Kein Inhalt, nur Klicks auf Werbung und gutes Ranking – so kann man heute Geld verdienen.
Der Autor dieser Zeilen, er gesteht es mit Scham im Herzen, verdient gutes Geld mit der Produktion solcher Texte, denn sie verlangen durchaus sprachliches Fingerspitzengefühl, das ein Computer und auch viele Computerfreaks, bisher - zum Glück - noch nicht zu bieten in der Lage sind. Lieber wäre ihm, er würde mit satirischen Texten über SEO Geld verdienen, als mit SEO Texten über Satire. Aber wer ist schon bereit, dafür pro Text fünfzig bis hundert Euro abzuliefern?

Dienstag, 23. April 2013

Offener Brief an Mario Götze

Lieber Mario,

als trauriger BVB Fan wünsche ich dir nur das Beste im Münchener Haifischbecken. Schade, dass du die ungeheuren Möglichkeiten aufgibst, die in eurer Mannschaft stecken. Ich hoffe für dich, dass ich falsch liege mit meiner Diagnose, dass dieser Wechsel zwei, drei Jahre zu früh kommt. Vielleicht gibt es ja die Hoffnung auf Guardiola in München, aber der momentan auf der Erfolgswelle geltende Burgfrieden in München täuscht schon ein bisschen darüber hinweg, was dort normalerweise abgeht.
Ich wünsche dir, dass du in der nächsten Saison wenigstens noch gegen Dortmund spielen darfst, wenn du schon nicht mehr mit ihnen spielen willst.

Liebe Grüße aus dem Allgäu, Rainer

Dienstag, 8. Januar 2013

Heute Morgen um fünf Uhr ausgelesen: „Über Meereshöhe“ von Francesca Melandri



Ein kleines Buch das mit seiner Anlage und Komposition fesselt und fasziniert. 

Italien während der „bleiernen“ 70er Jahre. Paolos Sohn hat als Terrorist drei Menschen getötet. Nach der Gerichtsverhandlung ist Paolos Frau darüber vor Kummer gestorben. Trotzdem besucht Paolo den Sohn, so oft es ihm erlaubt wird.
Luisa besucht ihren Mann im Gefängnis. Er hat eine gewalttätige Seite und im Suff einen Menschen erschlagen. Nachdem er im Justizvollzug auch noch einen Wärter getötet hat, landet er im gleichen Hochsicherheitsgefängnis wie der Terrorist, Paolos Sohn, auf einer kleinen Insel im Mittelmeer.
Paolo ein grüblerischer Intellektueller, frühpensionierter Philosophielehrer und Luisa, einfache Bäuerin, Mutter von fünf Kindern, eine Frau, die mit den sprachlichen Zwischentönen eines Paolo nichts anfangen kann, bleiben wegen eines Unfalls für eine Nacht auf der Insel hängen. In Gesprächen und Rückblicken werden ihre Geschichten erzählt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und doch sind die beiden in der Lage sich gegenseitig zu akzeptieren und zu helfen. Ja, sie sind sogar in der Lage, dem Vollzugsbeamten Nitti und seiner Frau eine Chance für ihren weiteren Lebensweg zu eröffnen.
In der kleinen Geschichte zweier Menschen bringt Francesca Melandri die ganze Tragik der italienischen Gesellschaft dieser Jahre zum Ausdruck. Ein Buch von großer sprachlicher Schönheit über ein Thema, das Menschen an die Grenzen ihrer Leidensfähigkeit führt.

Sonntag, 29. Juli 2012

Autos und Öko

Blauer Brief für VW

Heute habe ich endlich den Brief an VW geschrieben, den ich schon ewig loswerden wollte. Der Text darf gerne als Vorlage verwendet werden, um ihn an andere Hersteller und eigene Erfahrungen anzupassen und dort dem Management auf die Nerven zu gehen:


Sehr geehrte Damen und Herren,

ich wollte Sie hiermit darüber informieren, dass meine Frau und ich entschieden haben, unsere beiden VWs (Polo und T4) noch einmal durch den TÜV zu bringen. Warum sollte Sie das interessieren? Wir beide sind nun fast lebenslang, also seit ungefähr 30 Jahren zufriedene VW Kunden, zuletzt sogar Neuwagenkunden. Genauso lange und noch länger sind wir überzeugte Umweltschützer und regen uns über die Produktpolitik aller Hersteller, insbesondere natürlich aber unserer Marke VW, auf. Seit 30 Jahren verschlafen Sie eine ökologische Umstrukturierung Ihrer Flottenpolitik und kommen Sie mir jetzt nicht mit Ihren Greenwashing-Feigenblatt-PR-Aktivitäten.
Langer Rede kurzer Sinn: In zwei Jahren werden wir unsere Nachfolgemodelle kaufen. Für den kleinen einen Stromer, für den großen einen Hybrid oder, falls es irgendwer bis dahin endlich auf die Reihe bringt, ein Brennstoffzellenfahrzeug. Wenn VW bis dahin nicht ökologisch, technisch und preislich überzeugende Angebote auf dem Markt hat, werden Sie zwei lebenslange Kunden verlieren. Schade eigentlich, denn mit Qualität, Service und Kulanz waren wir immer sehr zufrieden.

Mit freundlichen Grüßen für eine nachhaltige Zukunft, Rainer Hitzler

Dienstag, 17. Juli 2012

Bankenkrise, Bankenkrise, Bankerkrise


Wer bitte ist Libor?


Alles nur Kleingeld?
Jedesmal wenn ich den Wirtschaftsteil der „Zeit“ lese und aufs Neue die letzten Schurkereien aus der Bankenlandschaft präsentiert bekomme – hier nur ein Teil von dem, was über die Liborschweinereien in der Printausgabe steht – überlege ich, weshalb das  so ist, dass offensichtlich Banker, die in einem Segment arbeiten, das „am großen Rad dreht“, die Weltwirtschaft bestimmt, in großer Anzahl korrumpierbar und verantwortungslos sind. Dagegen sind alle Banker, die ich persönlich kenne, die sich mit ganz normalen Kunden abgeben, absolut verlässliche Leute, die man auch mit Millionensummen nicht dazu bewegen könnte, das Geld ihrer Kunden mit dubiosen Geschäften aufs Spiel zu setzen. Diese Leute haben auch ganz klar erkannt, welche Risiken in sogenannten „modernen“ Finanzprodukten stecken und haben solche nie für ihre Kunden oder ihre Bank gekauft. Sie sind auch völlig problemlos durch die Finanzkrise geschippert, einfach weil sie rechnen können. Ist es Voraussetzung für Chefsessel großer Geldinstitute, dass man das Rechnen verlernt?
Allerdings sind die großen Bosse ja ganz gute Rechner, wenn es um Provisionen, Boni, Abfindungen und Pensionen geht. Die Banker, die ich kenne verdienen zwar gut, aber immer noch deutlich weniger, als unsere Bundeskanzlerin. Ich muss da immer an die Szene aus „Pretty Woman“ denken, wenn Julia Roberts, nachdem er sie vor einer Vergewaltigung durch seinen Kompagnon gerettet hat, Richard Gere ins Gesicht schleudert: „Bringen sie euch Jungs das auf dem College bei, wie man eine Frau ins Gesicht schlägt?“
Lernt man auf der London School of Economics oder einfach auf dem steilen Weg nach oben, wie man Kunden, Politik, ganze Volkswirtschaften und sich selbst betrügt? Was treibt Leute wie Barclay Chef Diamond? Was hindert die amerikanische Justiz die Verantwortlichen der Lehman Pleite endlich vor Gericht zu stellen? Wo ist der Fehler im System, der dafür sorgt, dass die Banker der kleinen Leute grundsolide Finanzhandwerker sind und die Obermacher und Gesprächspartner unserer Politiker Größenwahnsinnige im Stile eines Ackermann oder Notheis?
Okay ich weiß: Geld verdirbt den Charakter. Aber ich bin mir völlig sicher, dass ich mindestens 50 Leute kenne, die mit ausreichender Qualifikation so einen Job machen könnten und trotzdem nicht abheben würden. Warum schaffen es die nicht in solche Positionen?
Es muss das Killergen sein, das einem erst ermöglicht einen Konkurrenzkampf für diese Leitungspositionen auszuhalten, das sich eben letztlich auch als ein Gen der Verantwortungslosigkeit aus mangelnder Moral zeigt. Denn das ist es ja, was diesen Leuten fehlt: Die Moral richtig von falsch zu unterscheiden. Und keiner sage mir, das sei in diesen Dimensionen nicht mehr möglich. Die wissen ganz genau, welche menschlichen und wirtschaftlichen Prinzipien sie mit Füßen treten.
Aber genug auf die großen Abzocker geschimpft, denn wir sind oft nicht besser: Jeder weiß, dass bei Geschäften mit einer Rendite von über 10 Prozent irgendjemand die Zeche zahlt. Seien es Arbeitnehmer, die Umwelt, die Zukunft oder ganz einfach betrogene Anleger. Würde niemand in solche Geschäfte investieren, dann wäre der Spuk bald beendet. Wobei natürlich auch hier wieder gilt: Es sind nicht die kleinen Anleger, die solche Geschäfte machen, sondern die, denen sowieso schon zu viel Geld am Arsch klebt. Insofern ist der Vorschlag einer Vermögensabgabe auf große Vermögen über 250 000 Euro pro Person, zur Refinanzierung der Eurokrise, sehr bedenkenswert und sollte auf jeden Fall weiterverfolgt werden. Vielleicht wäre das ja mal was für die Piraten, um auch auf einem anderen Feld der Politik, außerhalb der Netzpolitik, Profil zu zeigen.

Bildnachweis: Chocolat auf www.pixelio.de